27. Etappe - Tolmin-Tribil-de-Sopra

27. Wandertag Tolmin – Tribil de Sopra

Wir wussten, es würde ein schwerer Tag werden, allein die Zahlen sprachen dafür. 1524 Meter bergauf, 1093 bergab. Etwa 22 km, es waren bestimmt mehr.
Nach dem Frühstück schauten wir beim Bäcker vorbei, da die Schlange aber zu lang war, gingen wir weiter, weiter in Richtung Soča und verließen Tolmin. Der Weg entlang der Soča war verbarrikadiert, zum Glück gleich am Anfang, sodass wir uns gar nicht erst die Mühe machten ihn zu gehen, sondern sofort umkehrten und die Umgehung auf der Hauptstraße nahmen (Die Info hatte uns gestern gesagt, dass alles begehbar ist.)
_A7_9948.jpg
Auf dem Asphalt kamen wir zügig voran, bis ins nächste Dorf und dann auch noch mehr als 100 Höhenmeter auf der Straße zum Kolovat. In einer Kehre bog dann der Weg in den Wald ab. Ab hier begann der Weg noch steiler zu werden, als er auf der Straße schon war. Meist ging er ohne Serpentinen geradeaus nach oben. Es fiel uns heute beiden schwer. Da die Etappe ja schon vom Papier her schwer war, und wir nun merkten, wie schwer die fast 700 Höhenmeter am Stück hochzugehen waren, bedurfte es schon einer mentalen Stärke nicht hinzuschmeißen. Außerdem hatte der Weg auf dem Asphalt unter knallender Sonne einige Kraft gekostet. Auf die 700 Meter nach oben gab es nur ganz wenige Abschnitte, die mal etwas waagerecht oder nicht so steil verliefen. Wir schwitzen mächtig, Tomas Puls erreichte 190 Schläge pro Minute (Das Übel eine Uhr am Arm zu haben, die alles aufzeichnet). Und der Weg verlief fast ausschließlich im Wald, was eine gewisse Frische garantierte, aber keine Aussicht ins Tal und irgendeine Abwechslung bot. Nach fast 4 Stunden erreichten wir den Gipfel oder besser die Stelle weit oben, wo wir eine fantastische Sicht hinunter ins Tal auf einer Bank sitzend genossen. Ess- und Trinkpause. Hier oben befanden sich auch die Stellungen aus dem 1. Weltkrieg zwischen Österreich und Italien. Nur wenige Meter oberhalb unseres Pausenplatzes war dann der Gipfel, der dann eine komplette atemberaubende 360 Grad Sicht bot und zugleich die Grenze zwischen Slowenien und Italien markierte.
slowenien.jpg
_A7_9992.jpg
Wir verabschiedeten uns von Slowenien und freuten uns auf Italien. Gutes Essen, freundliche, laute Menschen, ein relaxter Lebensstil. Und es ging fast nur noch bergab. Nach einer knappen Stunde gelangten wir in das kleine, schöne Bergdorf Clabuzzare. An dem Restaurant konnten wir einfach nicht vorbeigehen. Wir bekamen nach einer genauen Musterung und der Abwägung, ob man uns mit unseren riechenden Sachen Einlass gewähren sollte, einen kleinen Tisch mit Aussicht und die Bedienung deckte ein für Mittagessen. (Uns wurde schon ein wenig Angst.) Wir bestellten nur eine Lasagne und ein Stück Kuchen, genossen aber die italienische Küche und die erfreuten uns an der Lebensart der anderen Gäste, die das Leben zelebrierten.
Als wir auf dem Weiterweg auf ein Hindernis stießen - vom letzten Sturm, entschieden wir uns die Straße zu laufen. Nach weiteren 200 Metern war dann auch die Straße gesperrt, aber nur für Autos (richtig gesperrt mit Zäunen). Wir liefen also ganz entspannt Straße, bis uns doch Autos und Motorräder entgegenkamen, obwohl 2 km weiter auch eine solche Sperre mit Zäunen war. Man nimmt es also alles nicht so ernst in Italien.
Die Orte hier oben wirken wie ausgestorben. Wahrscheinlich gibt es deswegen auch CCTV -Kameras, die die Siedlungen überwachen, damit niemand marodiert.
In Zavart tauchten wir noch einmal in den Wald ein, eine gute Stunde, vielleicht auch ein wenig mehr, ohne jedoch auf weitere Sturm-Hindernisse zu stoßen. So ging es dann entspannt bis zum Ziel, ohne große Steigungen, ohne Hitze, unbesorgt, da das Wetter keine Anzeichen von Gewitter zeigte.
_A7_0011.jpg
Vortrag: (Habe ich als erstes geschrieben und an die Agentur geschickt.)
Um es völlig authentisch niederzuschreiben, beginne ich heute den Tagesbericht nicht mit dem Aufstehen, sondern (nein nicht mit dem Zubettgehen) sondern mit der Ankunft in der Herberge Ostello la Finestra in Tribil de Sopra.
Wir erreichten unser Etappenziel gegen 17 Uhr und fanden ein großes Haus offen vor. Keine Menschenseele war zu sehen, zu hören, keine Rezeption und nach einer Orientierungsphase dachten wir, dass wir wohl die Telefonnummer, die in der Nähe des Eingangs notiert war, vielleicht mal anrufen. Das Haus ist eine Art Jugendherberge, ohne Jugend, eben nur eine Herberge. In unseren Unterlagen ist die Unterkunft als KLASSIK Kategorie ausgewiesen, und wenn wir ein wenig sehnsüchtig an Österreich zurückdenken, dann waren dies immer sehr respektable Unterkünfte. Da wir aber in Slowenien schon dreimal herb enttäuscht wurden von der Kategorie Klassik, die definitiv „below basic“ waren, ahnten wir schon „Schreckliches“.
An der anderen Seite der Strippe bei der gewählten Rufnummer meldete sich eine freundliche italienische Stimme, die uns erklärte, wo in dem großen Haus unser Zimmer ist. Auf meine Nachfrage nach der Halbpension, sagte die Frau am Telefon, dass sie so gegen 18.30 Uhr kommt, und uns Abendbrot zubereiten wird.
Das Zimmer oder besser die drei Zimmer, die sich hinter dem Zettel an der Tür verbargen, waren große Zimmer mit vielen Betten. Wir wählten das mit 4 Betten, zwei einfachen Betten und einem Doppelstockbett. Die Toilette und die Duschen befanden sich auf der Etage. Für mich kein Zimmer einer Kategorie Klassik. Ich rief die Hotline, um nachzufragen, was man da machen kann (zumal es nun schon eine Häufung von Abweichungen der gebuchten Kategorie von der vorgefundenen Kategorie gab). Die Hotline sagte, dass sie heute nichts mehr machen kann. Ich bat um einen Kontakt mit dem Supervisor, der aber schon nicht mehr verfügbar war und erst morgen angerufen werden kann. Die Frau am Apparat versprach mir aber, dass sie mir die Nummer des Supervisors per SMS schickt.
Nach einer gewissen Weile, so gegen 17.30 Uhr rief ich erneut an und keiner ging mehr ans Telefon der Hotline. Eine SMS habe ich auch nicht erhalten. Die SMS kam dann 18 Uhr: Inhalt: Es ist nicht erlaubt die Telefonnummer des Supervisors herauszugeben. Rufen Sie morgen an.
Ich schaute mir das Impressum meines Touroperators an und fand dort eine verantwortliche GmbH. Die GmbH befand sich in Österreich Obervellbach. Ich rief in Obervellbach an. Dort zeigte man volles Verständnis für meine Situation, konnte mir aber auch nicht helfen. Naja, wir sind nicht im Krieg und keiner stirbt, wenn mal etwas nicht klappt.
Also duschte ich mich und wartete auf das Abendbrot. Zwei der Gäste hatten sich das Dinner bereits selbst zubereitet, jeder Gast (oder jede Wandergruppe) hatte in einem großen Kühlschrank ein Fach, das das Essen enthielt. Das Essen war in Plastik-Einschweißverpackungen- von der Art, die ich seit 40 Jahren nicht mehr gesehen hatte und ausschauten, als hätte das Essen schon jemand einmal gegessen. In der Zwischenzeit waren andere Gäste eingetroffen, die auch Essen wollten. Auch ein netter Italiener, der wirklich ständig lachte, genau wie die eingetroffenen Frauen und uns erklärte, wie wir das Essen zuzubereiten hätten. Leider gab es nur eine Mikrowelle. Die Situation war grotesk. Alle wussten, dass das, was hier ablief, nicht den Mindeststandard einer Essenszubereitung, geschweige denn irgendeines Services einer gebuchten Halbpension entspricht. Das Lachen konnten wir also nur als Verhöhnung der Gäste auslegen. (Ich reiche gern Bilder vom Aussehen des Essens nach) Die schwarzen Plasitikverpackungen (der Größe etwa 20 mal 5 mal 2 cm) wurde aufgeschnitten auf einen Teller gepackt und in der Mikrowelle direkt neben unseren Tisch erwärmt. Wir machten dies selbst. Dann war das Essen fertig. Ein Stück Fleisch und zwei explodierte Kartoffeln, noch in der Schale lagen auf meinem Teller. Eine Suppe oder eine alternative Vorspeise gab es nicht. Ich stoße jetzt eine Stunde nach dem Essen immer noch auf. Die zwei Frauen und der Mann waren die ganze Zeit, während wir unser Essen zubereiten, anwesend und handelten mit den anderen Gästen den Preis für das Essen aus. Sie wollten 10 Euro für eine Packung Lasagne, die volle Dröhnung, also unser Dreigängemenü kostete 25 Euro. Bei uns fehlte ja die Suppe, aber einen Nachtisch gab es, wieder in einer appetitlichen diesmal weißen Plastikverpackung, eingeschweißter Kuchen. Wahrscheinlich wirken die Corona-Vorschriften noch nach? Vielleicht hätten die drei Italiener auch Masken tragen sollen, damit diese Fröhlichkeit uns nicht so unerträglich geworden wäre. Aber auch wir (alle im Essensraum) lachten mit der Zeit nur noch und nahmen es so, als würde man hier eine Aufzeichnung der Sendung: Versteckte Kamera filmen.
Wein gab es inklusive, da wir aber keinen Alkohol trinken, haben wir für das nichtalkoholische Getränk auch noch bezahlt. Strafe muss sein. Das Frühstück stand auch schon bereit und wir konnten uns also getrost schlafen legen, mit dem Bewusstsein morgen gibt es auch etwas zu Essen.
Es ist ein wunderschöner warmer friedlicher Abend hier in den Bergen Italiens, vielleicht bellt mal ein Hund, die Schwalben fangen noch ihre letzten Insekten im Flug und ich blickte auf pittoreske alte Bauernhäuser.
Nachtrag
Da hätte ich doch fast ein Highlight des gestrigen Tages vergessen zu berichten. Toma wäre fast auf eine Kreuzotter getreten, eine große schwarze, wie wir sie auch auf dem karnischen Höhenweg gesehen haben. Ich sah nur noch wie sich eine weitere kleinere schwarze Kreuzotter im Gestrüpp am Wegrand verkroch. Ein Foto gelang leider nicht. Es ist schon gefährlich in den Bergen.